Golfen kinderleicht gemacht

Frank Joachim Seidel

Macher der Woche vom 15. Juni 2018

Wer beim Golfen an ältere Männer mit Schiebermütze, Polohemd und Sportwagen denkt, der täuscht sich. Im Golfclub Chemnitz e.V. ist jedes sechste Mitglied noch ein Heranwachsender. Kinder- und Jugendarbeit wird hier großgeschrieben, daher hat Frank Joachim Seidel, Clubmanager und Golftrainer des Golfclub Chemnitz e.V. gemeinsam mit vielen freiwilligen und fleißigen Vereinsmitgliedern von Ictus Academicus e.V., das Projekt „Kinder golfen für Kinder" ins Leben gerufen. Anlässlich des 875-jährigen Stadtjubiläums lautete die Herausforderung 875 Kinder auf dem Golfplatz in Klaffenbach zu vereinen. Am Donnerstag, dem 14. Juni, startet die Aktion. Ob 875 Kinder zusammen kommen und warum Golfen vielleicht bald auf dem Schulplan steht, erzählt er uns im Macher-der-Woche-Interview.


Haben Sie 875 Kinder für den 14. Juni zusammen bekommen?
Frank Joachim Seidel:
Das ist uns leider nicht gelungen, aber wir sind bei 453 Kindern, das ist auf jeden Fall ein Rekord! In diesem Jahr ist es schon der achte Durchlauf des Projektes „Kinder golfen für Kinder" und so viele Kinder hatten wir noch nie.

Was passiert an dem Tag auf dem Golfplatz?
Wir sperren die Hälfte des Golfplatzes, das sind über 20 Hektar, die für die Kinder frei zugänglich sind. Die gesamte Veranstaltung startet um 08:30 und endet 13:00 Uhr. Auf den Golfbahnen gibt es mehrere Parcours und in denen gibt es unterschiedliche Stationen, die die Kinder bewältigen können. Diese sind aus den verschiedensten Bereichen: von der Wissenschaft, über den Sport bis hin zur Geschicklichkeit. Die Mathematikfakultät der TU Chemnitz bietet zum Beispiel Knobeleien an, die Mozartstiftung stellt die Gesangserziehung vor, die freiwillige Feuerwehr ist mit einer Station vor Ort und der Stadtsportbund stellt selbst ebenfalls zwei Stationen über Sportmöglichkeiten vor. Es können auch sehr viele Sportarten ausprobiert werden: Tennis, Eishockey, Fußball, Boxen, Baseball, Football und vieles mehr.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Vor acht Jahren entstand, anlässlich der 175-Jahrfeier der TU Chemnitz, diese Idee. Wir waren damals eine Studentengruppe, die den Verein Ictus Academicus e. V. gegründet hatte, und unsere Aufgabe lautete, macht etwas aus den Zahlen eins, sieben und fünf . Unser Verein ist darum bemüht, den Golfsport zu verbreiten, ob bei Schülern an der Grundschule oder bei Studenten an der Universität. Wir wollen zeigen, dass Golf nicht nur etwas für „erwachsene“ Menschen ist, sondern eben ein Sport für junge Leute, den man gut bis ins hohe Alter ausüben kann und das Ganze auch noch an der frischen Luft. Daher haben wir dann das 1-7-5-Projekt „Kinder golfen für Kinder" auf die Beine gestellt und versucht 175 Kinder, wegen des 175-jährigen Jubiläums der Technischen Universität Chemnitz, auf den Golfplatz am Wasserschloss Klaffenbach zu locken. Wir wollten den Kindern zeigen, was es alles für Möglichkeiten gibt seine freie Zeit zu gestalten: hoch von der Couch, weg vom Fernseher, weg vom Smartphone. Das wollten wir mit dem Projekt erreichen. Und weil beim ersten Mal nicht nur 175 Kindern, sondern 383 zusammenkamen, haben wir das im Anschluss jährlich durchgeführt. In diesem Jahr haben wir 875 Jahre Chemnitz zum Anlass genommen. Es ist quasi auch eine riesengroße Talentsichtung, weil so viele Vereine und Kinder vor Ort sind, das ist eine großartige Chance für alle Chemnitzer Vereine.

Hat der Golfsport denn Nachwuchsprobleme?
Jede Sportart hat in den nächsten Jahren zu kämpfen. Das wird nicht besser. Die Kinder kommen leider nicht mehr von sich aus in die Vereine, sondern ich denke, die Sportarten oder die Vereine müssen eine Kehrtwende vollziehen und sich bewusst werden, dass die Kinder mehr und mehr in der Schule gebunden sind. Wenn wir Nachwuchs haben möchten, dann müssen wir in die Schulen, dort sind die Kinder. Dieses Prinzip verfolgen wir und gehen an Schulen, präsentieren ganz offen unseren Sport und haben Erfolg damit.

Wie begeistert man Kinder für den Golfsport?
Es gibt sogenannte Abschlag-Schule-Projekte, die wir hier auf der Anlage durchführen. In Kooperationen mit zum Beispiel der Grundschule Klaffenbach können sich die Kinder an ihren ersten Abschlägen ausprobieren. Die meisten Kinder haben aber noch keinen Anknüpfungspunkt mit dem Sport, sind da aber völlig unvoreingenommen. Sie versuchen es einfach und gehen ohne Vorurteile ran. Die Allermeisten sagen, es macht Spaß, sie finden es cool und sie wollen es wieder machen. Bei uns sind circa 100 Kinder aktive Spieler.

Und wie hält man die Kinder beim Golfen?
Es ist wichtig, dass an oberster Stelle der Spaß steht. Wenn die Kinder dann auch noch soziale Kontakte auf der Golfanlage finden, dann kommen sie gerne zum Training. Man darf keine sture technische Art versuchen durchzusetzen. Aber auch das Trainer-Kind-Verhältnis ist wichtig. Der Golfsport stellt das Kind immer vor Herausforderungen, es ist kein einfacher Sport, was es auch für Kinder wieder interessant werden lässt, aber Spaß und Bewegung sollten an erster Stelle stehen.

So unvoreingenommen wie die Kinder geht nicht jeder mit dem Golfsport um. Warum gibt es das Vorurteil, Golfsport wäre ein Elitesport? Und stimmt das?
In Deutschland ist die Entwicklung des Golfsportes noch im Gange aber auf einem guten Weg. Wenn man aber nach Amerika, England oder Schweden schaut, dort ist der Golfsport ein Volkssport. Bei uns muss man sich meistens noch rechtfertigen: Du spielst Golf - wie kommst du denn dazu? Es ist nicht lange her, dass man horrende Beiträge zahlen musste, um überhaupt erst mal in den Golfclub aufgenommen zu werden. Golf war eben ein höher angesiedelter Sport, der nicht für jeden bezahlbar war und das ist in den Köpfen der Menschen noch gespeichert. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt jedoch deutlich, dass der gesamte Golfsport sich öffnet und für jeden zugänglich wird.

Nicht wegzureden ist natürlich, dass der Golfsport nur auf einer Golfanlage betrieben werden kann, die eine gewisse Grundfläche besitzt. Und diese Fläche muss bewirtschaftet werden, tagtäglich. An dieser Stelle entstehen natürlich Fixkosten für Mitarbeiter, Maschinen etc. Es ist einfach undenkbar, dass man so eine große Fläche zu einem geringen Vereinsbeitrag bewirtschaften kann. Mit dem etwas höheren Mitgliedsbeitrag haben die Mitglieder aber auch einen permanenten Zugang – das heißt Tag und Nacht - zu einer 55 Hektar großen Fläche und das in der Natur. Für viele Menschen wird das immer attraktiver.

Frank Seidel selbst war ursprünglich Handballer und Badmintonspieler, bis er durch das Abschlag-Schule-Projekt zum ersten Mal einen Golfschläger in den Händen hielt. Er war damals 16 Jahre alt. (Das jüngste Mitglied im Golfclub Chemnitz e.V. ist dreieinhalb Jahre.) Zusammen mit sieben Kommilitonen gründete er 2010 den Verein Ictus Academicus e. V. Sie schrieben sich die Verbreitung des Golfsportes auf die Fahnen. Mit dem Projekt „Kinder golfen für Kinder“ sollten nicht nur sportliche Alternativen aufgezeigt werden, sondern gleichzeitig auch Spenden für einen guten Zweck generiert werden. Dieses Engagement wurde 2015 mit dem „Stern des Sports“ in Bronze und Silber geehrt. Dass es eine golferische Initiative bei solch einem Wettbewerb so weit gebracht hat, war bundesweit ein Novum. Der Deutsche Golf Verband wurde sofort auf das Chemnitzer Projekt aufmerksam. „Wir waren ja eigentlich nur eine Studentengruppe. Aber aus einer kleinen Idee ist etwas Großes entstanden“, schwärmt Frank Joachim Seidel. 

Ihr versucht auch durch Kooperationen mit ansässigen Schulen den Golfsport Schülern näher zu bringen. Wie wäre es, Golf als Schulsport anzubieten?
Das ist mein Ziel, dass wir das in Chemnitz etablieren können. Im Sportgymnasium Erfurt ist der Schritt bereits getan, dass die Sportart Golf mit acht Plätzen aufgenommen wurde. Ich arbeite fast tagtäglich daran, dass das auch an anderen Standorten gelingt, zum Beispiel in Dresden, Leipzig und Chemnitz. Hier in Chemnitz haben wir auch schon ein gutes Netzwerk mit den Grundschulen, der Universität und dem Stadtsportbund aufgebaut. Die Schule in Klaffenbach ist gleich in direkter Nähe zum Golfplatz, da können die Kinder mit dem Fahrrad oder teilweise zu Fuß zum Training kommen. Das würde sich sehr gut anbieten und das wünsche ich mir auch weiterhin.

Apropos Wünsche: Chemnitz bewirbt sich als Europäische Kulturhauptstadt 2025. Was wünschen Sie sich bis dahin für die Stadt?
Ich würde mir wünschen, dass die Stadt Sportangebote noch mehr unterstützt. Wir müssen uns zu Kindern und Jugendlichen bekennen. Gemeinsam müssen wir gegen die Entwicklung arbeiten, dass die Kinder immer mehr von der Natur weggeholt werden. Mir fällt zum Beispiel auf, dass die Koordination in der Bewegung nachlässt. Die Kinder verpassen ihre Umwelt und daran müssen wir zusammen mit der Stadt arbeiten und mehr Angebote schaffen. Kultur hat auch etwas mit den Vereinsstrukturen zu tun, an dieser Stelle könnte man unterstützend ansetzen und neue Bewegungsangebote schaffen und das auch direkt in den Schulen der Stadt. Der Golfsport ist bereit für diesen Schritt und steht dieser Entwicklung offen gegenüber.

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