Die grüne Hornisse
Jan Wiesner
Macher der Woche vom 10. August 2018
Designkunst, Konstruktionstalent, Businessgeschick und Verkaufsmarketing – all das ist beim Formula Student Wettbewerb gefragt und all das bringt das T.U.C Racing Team mit. Die erstmalige Qualifikation der Studenteninitiative bei solch einem renommierten und internationalen Konstruktionswettbewerb ist einzigartig, wie Vorstandsvorsitzender Jan Wiesner betont. Vom Bachelor- und Masterstudenten bis hin zu Doktoranten– ein breit aufgestelltes Team trägt diese Woche bei der Formula Student Germany am Hockenheimring eine Botschaft aus Chemnitz in die Welt: die greenHORNet. Was es mit der greenHORNet (deutsch: grüne Hornisse) auf sich hat und was der Verein in Zukunft noch alles anpacken will, erzählt Jan Wiesner im Macher-der-Woche-Interview.
Wie entstand die Idee zum T.U.C. Racing-Team?
Jan Wiesner: Die Idee kam einigen Studenten Ende 2015, die fanden, dass an der Technischen Universität Chemnitz noch nicht genug für den Status einer renommierten Uni gemacht wurde. Gerade in den Ingenieurswissenschaften standen wir immer unter dem Scheffel anderer Unis. Generell hat Chemnitz eher eine schlechte Außenwirkung. Mir ging es auch so. Ich komme ursprünglich aus Leipzig und hörte immer nur, hier wäre es grau und nicht schön. Ich bin damals wegen des Studiums hergekommen, weil neben München nur in Chemnitz Elektromobilität angeboten wurde. Man merkt aber schnell, dass es eine top Stadt ist. Auch das wurde zum Anlass genommen, darüber nachzudenken, etwas in dieser Stadt zu machen – so entstand der T.U.C. Racing e. V.
Wie kam es dann vom gemeinsamen Tüfteln zur Bewerbung für den Formula Student Wettbewerb?
Formula Student ist eine Rennserie, die gemacht wurde, um auf internationales Parkett zu kommen und zu zeigen, was junge Frauen und Männer verschiedenster Fachrichtungen mit Passion erreichen können. Wirtschaftler und Ingenieure sollen Hand in Hand etwas auf die Beine stellen. Das fanden wir damals faszinierend und dachten uns, das machen wir auch. Es hat lange gedauert, die dritte Generation ist jetzt schon dabei und wir sind an unserem Ziel angekommen, das erste eigene Rennfahrzeug zu entwerfen, zu bauen und schließlich zu fertigen, um so gemeinsam mit Sponsoren auch einen Mehrwert für die Region zu schaffen. Zudem haben Studenten Spaß daran und lernen gleichzeitig etwas. Die Ausbildung, die man hier durchläuft, kann eine Universität allein gar nicht abbilden – das Zusammenspiel aus Praxis, Wirtschaft und Design ist wirklich einzigartig.
Und warum dann ausgerechnet Rennfahrzeuge?
Die Begründer der Formula Student, haben sich damals genau das auch überlegt. Sie hätten vieles als Thema des Konstruktionswettbewerbes ausschreiben können, vom Betonmischer bis hin zur Nähmaschine – vieles wäre möglich gewesen, aber das ist nicht besonders sexy. Der Rennsport hingegen schon und man kann damit auch viele begeistern. Wir sind jetzt nicht alle zwangsläufig riesen Rennsport-Fans, aber es ein guter Aufhänger für eine gemeinsame Sache zu arbeiten.
Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?
Ich war bei einem Infoabend als junger Student dabei und fand‘s top. Das ging wahrscheinlich vielen von uns so, dass man über solche Influencer-Abende an den Punkt kommt, an dem man sagt, mein Studium ist schön, aber man kann etwas mehr Praxis einbringen – ich würde gerne mit Leuten etwas auf die Beine stellen. Freizeit und Studium gehen bei dem Projekt irgendwann ineinander über. Die Teilnahme an den Formula Student Events ist natürlich ein Highlight.
Im Februar begann die Auswahl. Alle Teams weltweit, circa 300, mussten einen onlinebasierten Test mit wirtschaftlichen, ingenieurwissenschaftlichen und regeltechnischen Fragen durchlaufen. Durch harte Arbeit und langes Training schaffte es das T.U.C Racing-Team sich neben Dresden als einziges Team aus Sachsen für das Rennen in Deutschland – auf dem Hockenheimring- zu qualifizieren. Mehrere Millionen Arbeitsstunden, hunderttausende Euro an Fertigungs- und Materialleistungen stecken im Chemnitzer Boliden, alles ausschließlich durch Spenden und Sponsoren bereitgestellt. So kam auch der Name „greenHORNet“ zustande – zur Akquise weitere Gelder wurde der Name versteigert. Der Höchstbietende war die Firma Horn aus Düsseldorf. Grün ist die Farbe der TU Chemnitz. „Wir sind stolz, dass wir uns als Chemnitzer dafür qualifiziert haben“, schwärmt Jan Wiesner über sein Team.
Im Mai habt ihr euer neues Fahrzeug präsentiert. Was ist das Besondere an dem Fahrzeug?
Wir haben natürlich den Anspruch gut zu sein, aber wir sind vordergründig stolz, dass wir beim Rennen dabei sind. Es kann auch beim ersten Mal so viel schief gehen, deswegen wollten wir jetzt nicht viele komplizierte Extras einbauen, sondern bloß, dass unser Fahrzeug verlässlich fährt: Zuverlässigkeit ist unser höchstes Engineering-Design-Ziel. Die ausgewählten Komponenten bilden quasi ein ganz normales Elektroauto ab. Alles Drumherum ist auf Sicherheit und Zuverlässigkeit bedacht. Wir wollen im ersten Jahr der Teilnahme einfach dabei sein und zeigen, dass wir Macher sind.
Apropos Elektromotor. Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung der E-Mobilität?
E-Mobilität ist die Zukunft. Im Team gibt es auch Leute, die dem noch skeptischer gegenüber stehen. Es ist auch noch etwas Skepsis angebracht, weil die Elektromobilität noch große Herausforderungen vor sich hat. Ich studiere Elektromobilität, fahre privat ein Elektroauto. Ich würde sagen, ich bin großer Anhänger. Der Reiz an der Elektromobilität liegt darin, dass man noch etwas lernt. Wenn der Maschinenbauer damals gerne an Mopeds geschraubt hat, schraubt er jetzt gerne an einem Akku rum. Das ist die Zukunft!
Die öffentliche Meinung ist natürlich noch sehr gespalten. Früher fuhren wir alle mit Sprit, das hat gerochen, das hat geklungen – durch ein Elektroauto geht das verloren. Aber jeder der einmal in so einem Auto saß, vergisst diese Vorurteile schnell und denkt, wow, das kann doch was werden.
Was muss sich noch ändern, um die E-Mobilität alltagstauglicher zu machen?
Die Berührungsangst muss abgebaut werden und der Preis muss niedriger werden. Wenn jemand sagt, die Akkus leben nicht lange oder die Reichweite ist zu kurz, dann stimmt das einfach nicht. Die Technik ist reif und es ist ausschließlich noch eine Preisfrage. Ich wette drei Bierkästen darauf, dass in zehn Jahren die Menschen beim Neukauf eines Wagens sehr stark darüber nachdenken, ob es wirklich immer noch ein Verbrenner sein soll, weil der dann einfach in vielen Belangen schlechter ist als sein elektrisches Pendant.
Wie kommt man denn mit einem E-Auto in Chemnitz zurecht?
Super. Ich habe nie Probleme. Klar auf Langstrecken muss man planen. Heute habe ich erfahren, dass man in Chemnitz überall mit einem E-Kennzeichen kostenlos parken kann. Man kann in Chemnitz also schon Vorteile nutzen, ich hatte zum Beispiel einen Termin im Technischen Rathaus, da konnte ich mein E-Auto einfach abstellen.
Am 6. August ging es los zum Formular Student am Hockheimring. Was erwartet euch da?
Der Hockenheimring wird von großen Automobilherstellern gemietet. Mehrere tausend Leute, von der Presse, über Studenten, bis hin zu Sponsoren und Firmen sind vor Ort. Es gibt dann verschiedene Disziplinen: zuerst wird das Fahrzeug von den Punktrichter inspiziert und es erfolgt die technische Abnahme. Man kann vor Ort noch kleine Mängel ausbessern, aber dabei fallen leider schon viele Teams durch. Danach starten die eigentlichen Disziplinen: Beschleunigungsrennen, Langstreckenrennen, Fahren auf nasser Fahrbahn, Bremstests, Präsentation vor Investoren oder der Designreport. Das Schöne an dem Event ist das internationale Flair auf der Veranstaltung, es sind Teams aller Länder da, die stolz ihr Fahrzeug präsentieren und auf dem Zeltplatz herrscht Festivalstimmung. Viel Arbeit und viel Spaß!
Ihr arbeitet in Kooperation mit Baselabs zusammen. Welche Zukunftsprojekte plant ihr?
Wir haben die tolle Möglichkeit hier in Chemnitz einen großen Cluster an Unternehmen zu haben, mit denen man Technologien und Ideen austauschen kann. Mit Baselabs stehen wir in Kontakt, um dann irgendwann einmal die Technologien des Unternehmens und die unseres Teams in einem Chemnitzer Fahrzeug zu vereinen und dadurch einen Mehrwert für die Stadt zu schaffen. In Zukunft wird es um die Königsdisziplin gehen, Formula Student Driverless, also das autonome Fahren.
Chemnitz bewirbt sich als Europäische Kulturhauptstadt 2025. Wie können Sie ihre Initiative damit in Verbindung bringen?
Wir wollen auf jeden Fall etwas dazu beitragen. Wir wollen zeigen, welche Möglichkeiten es in Zukunft gibt, zum Beispiel durch das autonome Fahren. Aber auch im Bereich der studentischen Bildung und der interdisziplinären Arbeitsweise, das ist Kultur, das ist sogar eine Art Lebenskultur. Das bringen wir alles mit. Ich denke, je breiter sich die Stadt für die Bewerbung aufstellt, desto höher sind ihre Chancen auf den Titel. Kunst basiert nicht nur auf Malereien, auch ein Ingenieur ist künstlerisch tätig.