Mit der Poolnudel durch den Straßenverkehr

Hannah Zacher & Nepomuk Frädrich

Macher der Woche vom 24. Mai 2019

Umweltschonend, gesundheitsfördernd und nachhaltig: Mit dem Fahrrad in der Stadt mobil zu sein, ist für immer Menschen eine Alternative zum Auto. Um die Sicherheit der Fahrradfahrer im Straßenverkehr zu stärken und Autofahrer auf die gleichberechtigten Verkehrsteilnehmer aufmerksam zu machen, findet am 29. Mai das erste Fahrradkonzert in Chemnitz statt. Hannah Zacher, die die Neugier auf den Osten vor drei Jahren von Augsburg nach Chemnitz brachte, rief das Projekt Fahrradkonzert ins Leben. Nepomuk Frädrich und einige andere unterstützen bei der Organisation. Warum eine Poolnudel das Fahrradfahren sicherer macht und wie man bei einem Fahrradkonzert dabei sein kann, erzählen sie im Interview.


Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Hannah Zacher:
Die Idee entstand aus dem Freundeskreis Chemnitz 2025 heraus. Wir haben hin und her überlegt, wie wir das Thema Fahrrad in die Stadt bringen können. Dann kam es, dass ein Freund von uns eine spezielle Vorrichtung auf seinem Fahrrad, einen sogenannten Akustomat, montierte, in dem sowohl Musikboxen und als auch eine Lichtanlage steckte. Damit sind wir dann mit ein paar Freunden nachts durch die Stadt geradelt und es war wirklich eine super Stimmung. So war quasi die Idee geboren, das Fahrradkonzert zu veranstalten.

Wozu braucht die Stadt ein Fahrradkonzert?
Hannah Zacher:
Es ist nicht nur ein Konzert, sondern auch eine Demo für viele verschiedene Aspekte. Das ist gerade das Schöne, dass wir mit so einer einfachen Aktion so viel ansprechen können. Es geht zum einen natürlich um den Umwelt- und Gesundheitsaspekt, zum anderen aber auch um bessere und natürlich mehr Radwege. Die Stadt nimmt sich selbst noch zu sehr als Autostadt wahr. Seitdem wir uns mit dem Projekt beschäftigen, fällt mir auf, wie viele Fahrradfahrer in Chemnitz unterwegs sind. Das wollen wir mit der Aktion sichtbar machen. Wir sind der Meinung, dass die Wahrnehmung als reine Autostadt längst überholt ist.
Nepomuk Frädrich: Es tut Chemnitz auch gut, wenn mehr Leben in der Stadt sichtbar ist. Wenn mehr Menschen tatsächlich auf den Straßen sind, die man auch sieht und die sich nicht hinter Fenster- oder Karosseriefassaden verstecken, wirkt es gleich viel lebendiger. Der Autokringel, der die Innenstadt quasi abriegelt, kann mit dem Fahrrad gut durchbrochen werden. Das belebt die ganze Stadt.

Chemnitz und Fahrradfahren? Inwieweit passt das?
Hannah Zacher:
Oftmals hört man ja die Ausrede, dass es in Chemnitz zu viele Berge gibt, um gut Fahrrad fahren zu können. Ich glaube aber, keiner der Berge ist unüberwindbar. Mit ein bisschen Training schafft man das. Chemnitz ist eine Stadt, die noch nach ihrer Identität sucht. Dann hält man eher an alten Dingen fest, die nicht mehr aktuell sind. Natürlich ist die Autoindustrie durch zum Beispiel den VW-Konzern in der Region verwurzelt. Aber das ist ja nicht alles, was die Stadt ausmacht. Fahrradfahren passt definitiv zu Chemnitz.

Den Auftakt machen 16 Uhr die Konzerte von Solche und Jasmin Färber im Kleingartenverein „Vereinte Kraft“ in Gablenz. Von da startet die Fahrradtour mit STVO-tauglichen Rädern zum Inspire auf den Brühl, wo die Band Stellar Cellar schon auf die RadlerInnen wartet. Den Ausklang gibt es 20 Uhr im Weltecho mit Musik von Jante Music und Fuxxxer & Jan Stuebing. Das gesamte Fahrradkonzert ist kostenlos. Die Konzerte können auch einzeln ohne Fahrrad besucht werden. Personen jeden Alters sind eingeladen mitzumachen.

Wieso habt ihr gerade diese Route ausgewählt?
Nepomuk Frädrich:
Wir haben mehrere Locations angefragt. Die Kleingartensparte „Vereinte Kraft“ war Teil der Begehungen. Dadurch haben sich die Mitglieder schon ganz klar positioniert, dass sie offen für Kultur und Projekte sind. So stand der Startpunkt schnell fest. Dann haben wir noch weitere Locations ausgewählt und die miteinander verbunden. So entstand die Route.
Hannah Zacher: Ein weiterer wichtiger Faktor war auch der Platz. Die Locations mussten genügend Möglichkeiten bieten, Fahrräder abzustellen.

Fahrt ihr dann in einer meterlangen Kolonne die Fahrradwege entlang?
Hannah Zacher:
Nein, wir wollen bewusst viel Platz auf der gesamten Straße einnehmen und zeigen, dass Fahrradfahrer auch ein Teil des Stadtverkehrs sind und die gleichen Rechte und Pflichten haben. Autofahrer müssen merken, dass sie nicht die oberste Priorität im Straßenverkehr haben. Eine Bekannte von mir fährt immer mit einer Poolnudel auf dem Gepäckträger ihres Fahrrads auf der Straße. So verschafft sie sich den nötigen Sicherheitsabstand, den Autofahrer bei Fahrradfahrern einhalten müssen.

Der Fahrradklimatest, den der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) vor wenigen Wochen veröffentlichte, bewertete die Fahrradfreundlichkeit der Stadt insgesamt mit der Schulnote 4. Chemnitz weicht damit aber nur geringfügig von den bundesweit erzielten Durchschnittswerten ab. Der Nachholbedarf der Städte ist groß. Besonders kritisch bewertete der ADFC in Chemnitz den Winterdienst auf den Fahrradwegen, die Verkehrsführung für Radler an Baustellen und die Ampelschaltung. Die Fahrradmitnahme in Bus und Bahn hingegen bewerteten die rund 330 Befragten gut.

Wie müsste sich Chemnitz verändern, damit es fahrradfreundlicher wird?
Hannah Zacher:
Mir gefällt der Chemnitztalradweg sehr gut. Ich wünsche mir, dass es solche Wege öfter gibt. Bestehende Radwege sollten nicht einfach an gefährlichen Stellen aufhören, sondern weiterführen. Das stärkt die Sicherheit der Fahrradfahrer.
Nepomuk Frädrich: Oftmals enden die Fahrradwege kurz vor einem Kreisverkehr oder einer Kreuzung. Dann ist man als Fahrradfahrer auf sich alleine gestellt. Die Autofahrer können schwer einordnen, wie sie sich den Fahrradfahrern gegenüber verhalten sollen, die gerade orientierungslos auf der Kreuzung stehen.
Hannah Zacher: Überdachte Fahrradständer wären auch eine gute Sache. Es gab ja mal die Idee eines Fahrradparkhauses auf dem Getreidemarkt. Das Geld dafür wurde aber anderweitig genutzt. Die Prioritäten sollten politisch anders gesetzt werden.

Warum sollte ein Chemnitzer lieber morgen mit dem Fahrrad und nicht mit dem Auto zur Arbeit fahren?
Hannah Zacher:
Es ist zeitsparender, wenn man mit dem Fahrrad fährt.
Nepomuk Frädrich: Dann gibt es natürlich viele Nebeneffekte: Es fördert die Gesundheit und schont die Umwelt. Fahrradfahren ist außerdem viel preiswerter, was die Reparatur oder Beschaffung von Ersatzteilen angeht. Aber das Zeitargument ist wohl das überzeugendste im morgendlichen Berufsverkehr.

Apropos Argument: Welches Argument fällt euch dazu ein, dass Chemnitz Europäische Kulturhauptstadt 2025 werden will?
Hannah Zacher:
Chemnitz hat wahnsinnig viele kulturelle Angebote. Ich ärgere mich regelmäßig, dass ich nicht weiß, wo ich hingehen soll, weil an manchen Tagen einfach so viel los ist. Viele Vereine wirken eher hinter verschlossenen Türen. Leider nehmen die Leute die Angebote dann nicht wahr. Ich wohne erst seit drei Jahren in Chemnitz und merke jetzt schon, wie viel sich hier getan hat. Die Stadt hat so viel Potenzial. Die Kulturhauptstadtbewerbung kann definitiv dazu beitragen, das Angebot und das Potenzial sichtbarer zu machen.
Nepomuk Frädrich: Ich lebe schon seit zehn Jahren hier und kann aus der Perspektive sagen, dass sich wirklich viel zum Positiven verändert hat. Ein prominentes Beispiel ist die Begrünung der Reichenhainer Straße. Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt bringt mit sich, dass die Leute mit kleinen Aktionen viel bewirken können.

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