Der Brühl als Versuchslabor

Stadtlabor Mitmach_X

Macher der Woche vom 10. Januar 2020

Gemeinsam Chemnitz gestalten: Ein Thema, das Bürgerinnen und Bürger der Stadt beschäftigt und bewegt. Aus diesem Grund hat ein Forschungsteam der TU Chemnitz seit einem halben Jahr auf dem Brühl 40, schräg gegenüber der Rosa-Luxemburg-Grundschule, das Stadtlabor eröffnet. Hier können Chemnitzer ihre Ideen für eine schönere und lebenswerte Stadt vorstellen und wenn möglich gemeinsam entwickeln. Zusammen mit Mitarbeitenden der Uni arbeiten sie an kleinen, schnell umsetzbaren Lösungen. Interessierte sind dazu ab kommender Woche zu den Mitmach_Montagen ins Stadtlabor eingeladen. Fanny Gruhl und Michael Storz, beide TU-Mitarbeitende und im Stadtlabor angestellt, erzählen im Interview, was dahinter steckt.


Stadtlabor – das klingt sehr theoretisch. Was kann man sich darunter vorstellen?
Fanny Gruhl:
Es hat auch einen theoretischen Hintergrund. Es geht darum, zu erforschen, wie Menschen besser an Technikentwicklung beteiligt werden können. Welche Räume, Methoden, Möglichkeiten etc. braucht es dafür. Wichtig ist dafür auch, bei dem Alltag und den Problemen der Leute anzusetzen – und nicht bei der Technik. Deswegen hat unser Forschungsteam, das aus den Sozialwissenschaften und der Informatik kommt, gemeinsam mit Leuten auf dem Brühl Ideen für den öffentlichen Raum gesammelt. Wir haben Menschen gefragt, welche Probleme sie in ihrer Umgebung haben, was sie ändern wollen und welche Wünsche sie haben.
In unserem Stadtlabor bieten wir den Raum und das Equipment für Menschen, die Ideen haben, die sie gerne für ihre Umgebung entwickeln und umsetzen möchten. Das beinhaltet Werkzeuge, Technik und natürlich das Know-How.

Woher kam die Idee?
Michael Storz:
Die Initiative kam durch einen 3D-Druck-Workshop. Wir haben uns die Frage gestellt, wie die gedruckten Resultate im öffentlichen Raum angewendet werden können. Ein simples Beispiel: Einen Haken drucken, der an einen Fahrradständer angebracht werden kann, um da wiederrum etwas dranzuhängen. So sind wir dann auf dem Brühl unterwegs gewesen und haben Orte fotografiert, wo man etwas machen könnte.

Diese fotografierten Orte dienten bei der weiteren Ideensammlung als Inspiration für mögliche Veränderungen. Die bisher zusammengetragenen Ideen können bei den Mitmach_Montagen diskutiert, weiterentwickelt und ergänzt werden. An den kommenden vier Montagen können sich Interessierte dafür ab 16 Uhr im Stadtlabor einfinden. Wer sich im Vorfeld einen kleinen Überblick über die gesammelten Ideen verschaffen möchte, kann die eigens programmierte App „Ideen-Finder“ unter stadtlabor-chemnitz.de/Ideenfinder aufrufen und bewerten. Die Teilnahme ist kostenfrei. „Die Motivation und die Lust, Dinge gestalten zu wollen und gemeinsam mit anderen umzusetzen, sollte bei den Interessierten vorhanden sein – technisches Know-How ist keine Voraussetzung“, sagt Fanny Gruhl.

Was ist das Ziel der Mitmach_Montage?
Michael Storz:
Wir wollen die Ideen, die da sind, vorstellen und schauen, ob es für die eine oder andere bereits Interessierte gibt, die sie umsetzen möchten. Dazu gehören regelmäßige Treffen und Besprechungen für die Weiterentwicklung. Wir leisten technische Hilfe und Unterstützung bei der Organisation. So dass in drei Monaten ein Konzept für die Entwicklung steht und im besten Fall ein Prototyp vorhanden ist.

Wenn ich jetzt mit einer konkreten Idee, die für den Brühl charmant wäre, käme, was sind dann die nächsten Schritte für die Entwicklung?
Michael Storz:
Wir schauen, ob sich mehrere Menschen für das Projekt interessieren. Dann überlegen wir gemeinsam, wie es in die Tat umgesetzt werden kann. Ein Patentrezept haben wir da auch noch nicht. Es soll dann alles bei den Mitmach_Montagen besprochen werden. Von der Konzeption, über das Bauen bis zur Weiterentwicklung.
Wir überlegen, wen man ansprechen muss, welche bürokratischen Hürden es zu überwinden gilt, und wie man es letztlich bauen kann. Das ist der Entwicklungsprozess. Dazu kommen noch solche entscheidenden Fragen: wie schützt man die Idee vor Vandalismus, wie ist man versichert und wer wartet das Projekt.

Welche Ideen habt ihr bisher gesammelt?
Michael Storz:
Wir haben bisher 211 Ideen gesammelt und versucht, zu strukturieren. Da sind drei Kategorien entstanden. Die erste: „Gemeinsam nutzen“. Da geht es um gemeinschaftliche Sachen. Beispielsweise Büchertauschregale oder ein Schließfach bei einer Tischtennisplatte, in dem die Schläger aufbewahrt werden. Das könnte man sich auch mit anderen Straßenspielen überlegen. Oder: Foodsharing ist auch ein beliebtes Thema.
Die zweite: „Kreativ werden“. Darin sind Ideen enthalten, wie Straßenspiele auf dem Gehweg gezeichnet oder elektronisch umgesetzt werden. Ein Memoriespiel: Wenn man auf einzelne Felder tritt, drehen sie sich um. Oder auch öffentliche Gestaltungswände. Ein riesiges Whiteboard, auf dem man etwas malen kann.
Die dritte Kategorie: „Grüner machen“: Da geht es um öffentliche Begrünung oder Hochbeete auf dem Brühl.
Einige Ideen wirken in der Umsetzung einfach. Das heißt aber nicht, dass sie einfach zu gestalten sind. Ich kann sicherlich ohne Probleme ein Hochbeet anlegen, in dem ich meine Möhren züchte. Aber dann könnte jemand kommen und die Möhren einfach mitnehmen.
Fanny Gruhl: Eine schöne Idee, die jemand hatte, ist ein Damespiel. Die Spielsteine dazu kommen aus dem Kiesbett daneben oder vielleicht Früchte von Bäumen, die herumliegen. Die kann man nicht stehlen, sondern die sind immer da.

Wurden Ideen bereits in die Tat umgesetzt?
Michael Storz:
Kleine Ideen haben wir bereits umgesetzt. Es gab die Idee, auf dem Brühlbrunnen kleine Kerzenboote schwimmen zu lassen. So haben wir die Boote gestaltet, gedruckt und beim Lichterfest auf dem Brühl ausgegeben. Das sah im Brühlbrunnen sehr schön aus.
Fanny Gruhl: Außerdem haben wir bereits Haken gedruckt, um an Fahrradständer Pflanzen zu hängen.

Bürgerbeteiligungen sind derzeit sehr gefragt. Wie fällt eure bisherige Resonanz aus?
Fanny Gruhl:
Die Schwelle, direkt zu uns zu kommen, ist noch hoch.
Michael Storz: Unsere Idealvorstellung vor einiger Zeit war, dass wir zwei Gruppen haben, die sich im Stadtlabor alle zwei Wochen treffen. Jedoch ist diese Art der Beteiligung sehr schwierig aufzubauen, weil sehr viel Engagement und Zeit der Beteiligten vonnöten ist. Deshalb haben wir es heruntergebrochen, uns vor unsere Stadtlabor-Tür gestellt und Passanten befragt. Es war sehr kurzweilig, so dass die Menschen bereitwillig Ideen beigesteuert haben. Über die Mitmach_Montage soll das nun regelmäßig stattfinden, größer werden und sich weiterentwickeln.

Warum habt ihr euch ausgerechnet den Brühl als Forschungsfeld herausgesucht?
Fanny Gruhl:
Dass wir hier auf dem Brühl gelandet sind, war eher ein glücklicher Zufall. Die Räume standen zur Verfügung. Wir konnten damals nicht ahnen, dass der Brühl sich für uns zu einem spannenden Gebiet entwickelt. Zudem sind die Menschen hier sehr aufgeschlossen und sie haben das Bedürfnis, ihre Umwelt zu gestalten.
Michael Storz: Es können auch Menschen aus anderen Stadtteilen vorbei kommen. Denn eine Idee, die auf dem Brühl funktioniert, klappt doch auch in anderen Stadtteilen. Dahingehend sind wir nicht eingeschränkt. Man braucht nur Mitstreiter, eine Gruppe, die mitmacht.
Fanny Gruhl: Die Menschen sollen den Anstoß bekommen, über ihre Stadt nachzudenken. Das ist auch ein Grundgedanke des Forschungsprozesses: Wie bekommt man es hin, dass Menschen über ihr Umfeld aktiv nachdenken und sich mit Ideen und Engagement einbringen können. Und wie kann man das, aus unserer Position, begleiten.

Woher kommt die Motivation, sich für eine Stadt einzusetzen, die nicht die eigentliche Heimat ist?
Fanny Gruhl:
Ich finde die Verknüpfung zu Heimat eher schwierig. Wir beschäftigen uns mit der Stadt, in der wir leben. Und die will ich doch lebenswert haben. Das muss jetzt nicht Heimat sein. Aus universitärer Sicht interessiert mich zudem, wie man überhaupt zusammen leben möchte. Und der öffentliche Raum bzw. die Stadt ist das Feld, wo das passiert.

Wenn ihr einen Wunsch hättet, wo das Stadtlabor in sechs bis neun Monaten steht, wo wäre das?
Fanny Gruhl:
Ich würde mir wünschen, dass wir Leute um uns herum versammelt haben, die unterschiedlich sind. Nicht das typische Publikum an der Uni, sondern Menschen aus der breiten Bevölkerung, unabhängig vom Alter usw. Und dass Menschen zufrieden aus unseren Veranstaltungen gehen und sagen, dass sie das spannend fanden. Und natürlich, dass es einen Art von Folgeprojekt geben wird.
Michael Storz: Ich hoffe, dass die Mitmach_Montage erfolgreich sind, wir Projekte starten und entwickeln können.
Fanny Gruhl: Neben dem praktischen Feld ist für uns der wissenschaftliche Aspekt natürlich auch wichtig. Welche Möglichkeiten für Partizipation gibt es. Das wollen wir erforschen.

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