Unterstützen ohne Tabu
Lisa Schaarschmidt vom Ambulanten Kinderhospizdienst Schmetterling
Macherin der Woche vom 9. Februar 2024
Am 10. Februar ist der Tag der Kinderhospizarbeit. Dass diese viel mehr umfasst, als die meisten Menschen wissen, erzählt Lisa Schaarschmidt vom Ambulanten Kinderhospizdienst im Macher-der-Woche-Interview. Der Elternverein krebskranker Kinder Chemnitz e. V. ist Träger der Ambulanten Kinderhospizdienste Westsachsen und »Schmetterling«, die vor allem durch Spenden finanziert sind. Letzterer kümmert sich um Chemnitzer und mittelsächsische Familien. Dafür bilden sie auch zahlreiche Ehrenamtliche aus, die die Kinder und ihre Familien unterstützen.
Wenn jemand noch nicht von einem ambulanten Kinderhospizdienst gehört hat, wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?
Lisa Schaarschmidt: Wir im ambulanten Kinderhospizdienst betreuen und begleiten Familien, die ein schwer erkranktes Kind haben, das mit hoher Wahrscheinlichkeit lebensverkürzt erkrankt ist. Dazu zählen zum Beispiel Stoffwechselerkrankungen, genetische oder onkologische Erkrankungen und Erkrankungen des zentralen Nervensystems.
Zum Arbeitsalltag der Kinderkrankenschwester gehört die Koordination der Betreuung: Sie steht im Austausch mit den Familien, die bereits betreut werden und nimmt neue Familien auf, die sich Unterstützung wünschen. Ein großer Teil ihrer Arbeit betrifft aber auch Besuche bei den Familien selbst:
Was passiert bei Hausbesuchen konkret?
Wenn es ein geplanter Hausbesuch ist, geht es darum, zu schauen: Wie geht es der Familie? Gibt es eventuell gerade eine Krise? Brauchen sie Unterstützung zum Thema Bürokratie oder Dokumentation – steht zum Beispiel eine stationäre Aufnahme im Kinderhospiz an?
Haben Sie auch mit dem Kind selbst zu tun oder geht es eher um die Beratung der Familien?
Beides. Manchmal sind die Kinder in der Schule, im Kindergarten, in der Werkstatt oder in einer Wohngruppe. Wenn sie da sind, kann ich mir erst einmal pflegerisch einen Überblick verschaffen. Und dann schaue ich, welche Anliegen die Familie hat.
Sie bieten außerdem Geschwisterbetreuung an.
Dabei stehen wirklich die Geschwisterkinder im Vordergrund. Auch da haben wir viele verschiedene Angebote, zum Beispiel verschiedene Geschwistertage. Es gibt zum Beispiel ein Geschwister- Camp, das in der Woche nach Ostern stattfindet. Da haben ungefähr zwölf Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, eine Auszeit zu haben, sich untereinander ein bisschen auszutauschen und einfach Kind sein zu können. Das Camp wird kreativ gestaltet. Es gibt natürlich aber auch einen kleinen fachlichen Hintergrund, wo das Thema Krankheit in den Vordergrund rückt.
Sie kümmern sich auch um die Vermittlung zu stationären Kinderhospizen und haben auch mit den Krankenhäusern zu tun. Wie läuft das ab?
Der Elternverein krebskranker Kinder arbeitet eng mit der Kinderonkologie hier in Chemnitz zusammen. Da findet einmal in der Woche ein Stationsbesuch statt, um zu schauen, welche Kinder aktuell im Krankenhaus sind und welche Familien betreut werden.
Wie kommt eine Zusammenarbeit zwischen den Eltern und Ihnen zustande?
Im Optimalfall werden die Familien über den Elternverein oder die Station auf uns aufmerksam. Manchmal bekommen wir Anrufe von Bekannten der betroffenen Familien, die uns kennen und der Familie davon erzählen. Dann rufen wir die Familie an oder manchmal melden sich die Familien selbst bei uns. Das ist ganz individuell.
Weil diese wichtige Arbeit nicht alleine von den drei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen zu stemmen ist, bilden die Kinderhospizdienste Ehrenamtliche zu Familienbegleiterinnen und -begleitern aus. Seit Anfang Januar läuft gerade so ein Befähigungskurs. Er umfasst ungefähr 120 Unterrichtseinheiten und findet online statt, weil viele Teilnehmende aus verschiedenen Regionen stammen. Der Kurs findet immer montags von 18 bis 21 Uhr statt sowie an einzelnen Samstagen.
Was lernen die Ehrenamtlichen im Kurs?
Zuerst einmal: Was ist Kinder- und Jugendhospizarbeit? Was machen wir als Verein? Dann gehören natürlich verschiedene Krankheitsbilder, das Thema Tod und Sterben und die Trauerarbeit dazu. Das Thema Kommunikation ist auch ganz wichtig. Außerdem finden Kurseinheiten bei Verbundpartnern statt, zum Beispiel beim stationären Kinderhospiz Bärenherz in Leipzig oder beim Brückenprojekt an der Universitätsklinik in Dresden.
Wie viele Familien betreut ein Ehrenamtlicher gleichzeitig?
Optimal wäre eine, aber bis zu zwei Familien wären möglich. Wir schauen schon, dass pro Familie ein bis zwei Ehrenamtliche eingesetzt sind. Es gibt aber auch Ehrenamtliche, die uns eher in der Öffentlichkeitsarbeit oder bei Veranstaltungen unterstützen.
Wie viele Ehrenamtliche haben Sie aktuell?
Insgesamt haben die beiden Kinderhospizdienste Westsachsen und "Schmetterling" ungefähr 100 Ehrenamtliche, 50 pro Dienst.
Wie ist der Altersdurchschnitt bei den Ehrenamtlichen?
Ab 18 geht es los, nach oben ist keine Grenze gesetzt. Wir haben viele Studenten dabei. Wir haben natürlich auch Menschen, die gerade in Rente gegangen sind, die sich noch eine Aufgabe suchen möchten. Das ist auch ganz individuell und unterschiedlich.
Wie schaffen Sie es, die große emotionale Belastung möglichst nicht mit nach Hause zu nehmen?
Da braucht es einen guten Ausgleich zur Arbeit. Das ist das A und O. Man merkt, es gibt schwere Tage und dann gibt es wieder sehr schöne und positive Tage, an die ich versuche mich dann immer zu erinnern und ein bisschen Kraft daraus zu schöpfen. Aber wie gesagt, der Ausgleich ist für mich persönlich das Wichtigste.
Wie lange sind die Familien ungefähr bei Ihnen in der Betreuung?
Das kann man nicht fest sagen. Der Unterschied zur Erwachsenenhospizarbeit ist, dass wir die Kinder bei der Kinderhospizarbeit ab Diagnosestellung bis weit ins Erwachsenenalter betreuen und begleiten – ungefähr bis zum 27. Lebensjahr. Viele leben auch darüber hinaus. Lebensverkürzt bedeutet nicht unbedingt, dass die Betroffenen im Kindes- und Jugendalter versterben.
Was ist das Schönste an Ihrer Arbeit?
Das Schönste an meiner Arbeit ist das Individuelle, dass jeder Tag anders ist. Ich bin jeden Tag offen für meine Arbeit und freue mich immer, in Kontakt mit den Familien zu kommen. Ich habe gerne Kontakt zu meinen ehrenamtlichen Mitarbeitern und im Hintergrund steht auch ein sehr gutes Team.
Wovon würden Sie sich wünschen, dass es mehr Leute über Ihre Arbeit wissen?
Mein Wunsch wäre, dass dieser Arbeit mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, dass es vielleicht ein bisschen enttabuisiert wird und dass man von dem Gedanken loskommt, dass Kinderhospizarbeit bedeutet, dass alle Kinder sterben. Denn es genesen auch einige Kinder. Viele Kinder erreichen auch das höhere Alter. Darauf mache ich persönlich immer gern aufmerksam. Wir versuchen, Lebensqualität zu schenken. Wirklich zu schauen: Was brauchen die Kinder, die Geschwisterkinder, die Eltern, die Großeltern? Die Familie ganzheitlich zu sehen und für sie da zu sein, das ist unsere Aufgabe.