Impfschutz

Fragen und Antworten zum Impfen (November 2023)

Dr. Thomas Grünewald ist Leiter der Klinik für Infektions- und Tropenmedizin am Zentrum für Innere Medizin II in Chemnitz und Vorsitzender der Sächsischen Impfkommission (SIKO).

Er schildert im Interview die aktuelle Infektionsdynamik, nennt Kennzahlen und fordert Rücksicht auf andere.
 

Momentan wird wieder viel davon berichtet, dass es eine Grippewelle gibt. Was heißt das überhaupt?

Dr. Thomas Grünewald: Grippewelle heißt eigentlich vor allen Dingen eines: Dass wir eine hohe Zahl an Infektionen durch das Grippevirus sehen. Zurzeit sind wir am Anfang der Grippewelle. Noch haben wir sehr, sehr wenige Infektionen in Sachsen. Das ist in Deutschland schon deutlich mehr.


Es wird dazu geraten, sich impfen zu lassen, weil das ein effektiver Schutz ist – sollten Menschen sich jetzt impfen lassen, oder kommt der eigentliche Höhepunkt erst noch?

Wir können davon ausgehen, die Grippewelle startet, und dann hat sie ihre Spitzenwerte. Das heißt, die höchsten Infektionszahlen sehen wir so nach zwei Monaten. Wenn man sich jetzt impfen lässt, dann beginnt der Schutz nach einer Woche bis 14 Tagen und hält drei bis sechs Monate vor. Es ist eigentlich die optimale Zeit sich impfen zu lassen.


Warum wird bei der Grippe immer von Wellen gesprochen?

Die Grippewelle ist ja deswegen so auffällig, weil wir eine Saison für solche Erreger haben. Das gilt nicht nur für das Grippevirus, sondern auch für andere Viren, die Atemwegsinfektionen hervorrufen. Diese Welle, die Saison, beginnt immer dann, wenn die Schleimhäute trocken sind, wenn es kälter wird, wenn also die Viren länger in der Umwelt bleiben können. Das ist ein wichtiger Punkt. Es ist ein biologischer Vorteil. Unsere Schleimhäute sind ein bisschen empfindlicher durch die Kälte. Sie trocknen aus, sie reißen ein, und dadurch können sich die Viren besser auf die Schleimhäute setzen und Infektionen verursachen.


Entwickelt sich das Grippe-Virus weiter?

Genau das ist unser Problem, gerade auch was das Impfen betrifft: Die Viren verändern sich. Alle haben das mitgekriegt im Rahmen der Corona-Pandemie, dass die Viren sich verändert haben, neue Varianten aufgetreten sind. Das passiert auch bei der Grippe jedes Jahr. Schon während der Saison ist zu sehen, dass die Viren mutieren, damit sie besser mit den Menschen zurechtkommen und damit der Schutz, den wir durch Impfung zum Beispiel haben, ausgehebelt wird.


Was würden Sie im Vergleich sagen: Während der Corona-Pandemie wurde sehr viel geimpft und aufgerufen zum Impfen. Sind die Leute jetzt impfmüde auch was die Grippe betrifft?

Was wir sehen, ist, dass es sehr, sehr viel Skeptizismus gibt. Viele sind enttäuscht, weil sie sich natürlich vorgestellt haben – und am Anfang ist das vielleicht auch viel zu viel so kommuniziert worden – dass mit einer Impfung das Problem der Pandemie komplett erledigt ist. Aber wir haben gesehen: Das war nicht der Fall, sondern Impfungen sind ein zusätzlicher Punkt, der hilft, eine Pandemie zu bewältigen. In der Folge haben sich die Menschen ein bisschen abgewendet vom Impfen. Und das gilt eben leider nicht nur für die Corona-Impfung sondern auch für alle anderen Impfungen. Wir sehen, dass wir viel mehr Masernfälle weltweit haben, weil sich die Menschen weniger impfen lassen. Und wir sehen das auch bei der Influenza. Die Impfzahlen sind deutlich zurückgegangen. Der Skeptizismus, der nicht zuletzt ein bisschen durch eine enttäuschte Erwartungshaltung eingetreten ist, der ist tatsächlich viel größer geworden.


Können Sie das noch näher ausführen?

Wir sind es gewohnt, wenn wir uns gegen Tollwut oder Tetanus oder Wundstarrkrampf, impfen lassen, danach einen nahezu hundertprozentigen Schutz vor der Erkrankung zu haben. Wir wissen aber schon lange von Impfungen gegen Atemwegsviren, wie zum Beispiel dem Influenza-Virus, dass wir unter Umständen eine Infektion gar nicht vermeiden können. Was wir wissen ist, dass wir durch das Impfen schwere Krankheitsverläufe vermeiden können. So haben wir das bei Corona auch erlebt. Am Anfang noch sehr viel intensiver. Als die Viren sich dann auch angepasst hatten und wir mit den Impfstoffen nachziehen mussten, haben wir gesehen, dass vor allem die schweren Krankheitsverläufe vermieden werden konnten, bei weitem aber nicht mehr so viel die eigentlichen Infektionen. Das ist eine Erwartungshaltung, die vielleicht auch ein bisschen angeheizt worden ist über die Art und Weise, wie kommuniziert worden ist. Wir müssen vernünftig kommunizieren, und das heißt, was wir mit den Impfungen erreichen, ist eine Reduktion der schweren Verläufe der Menschen, die ins Krankenhaus müssen. Das passiert Geimpften deutlich weniger, und das ist auch bei der Influenza der Fall. Aber wir haben nicht eine so hochwirksame Impfung, dass wir 100 Prozent der Krankheiten vermeiden.


Wie sehen im Moment die Kennzahlen für Chemnitz, für den Chemnitzer Raum oder vielleicht sogar für Sachsen aus?

Wir haben momentan wieder eine sehr hohe Aktivität von Corona. Das ist in den letzten acht Wochen kontinuierlich angestiegen. Jeder kennt die Inzidenzen, also das heißt, wie viele Erkrankte pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern es gibt. Da liegen wir zurzeit zwischen 30 und 45. Das klingt erst mal nicht so viel, aber wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer das Ganze um den Faktor fünf bis zehn erhöhen würde. Dann wären wir bei deutlichen Inzidenzen.

Jeder kennt einen, der krank ist, und jeder kennt einen, der es gerade durchgemacht hat. In Sachsen haben wir insgesamt über 2.000 Fälle jede Woche. Das ist eine ganze Menge, deutlich mehr als zum Beispiel bei der Influenza, wo wir immer zwischen 20 und 30 Fällen liegen, oder beim RSV-Virus. Da liegen wir zwischen zehn und 60 Fällen pro Woche. Das ist also ein ganz deutlicher Unterschied. Das heißt, wir sind mitten in einer Corona-Herbstwelle und -Winterwelle, und wir können davon ausgehen, dass diese Zahlen in der ganzen Zeit auch kontinuierlich so bleiben werden.


Stimmt es, dass die aktuelle Corona-Variante im Verlauf milder sein soll?

Ja, das ist richtig. Sie ist de facto etwas milder. Das Virus gewöhnt sich ja an den Menschen und versucht auch zu überleben, und am besten überlebt es, wenn es möglichst viele Menschen hat, die es infizieren kann. Das ist das biologische Prinzip eines Erregers. Ergo hat der Erreger natürlich nicht die Bestrebung seinen Wirt, also dort, wo er sich vermehren kann, umzubringen, sondern er will sich vermehren und weiterleben. Das ist eine ganz klare Geschichte. Aber: Dass der Erreger jetzt so mild ist, hat auch damit zu tun, dass sich zum einen sehr viele Menschen infiziert haben, und zum anderen, dass viele Menschen geimpft sind oder eine gewisse Grundimmunität haben. Das ist diese sogenannte Populationsimmunität. In Sachsen ist die sehr hoch, mehr allerdings durch natürliche Infektion als durch Impfung. Der Effekt ist aber derselbe: Wir haben einen gewissen Grundschutz und dieser führt dazu, dass wir mit dem Erreger besser umgehen können, so wie auch der Erreger mit uns besser umgeht.


In Anbetracht der Infektionswelle sowohl bezogen auf die Grippe als auch Corona: Was würden Sie den Chemnitzerinnen und Chemnitzern und darüber hinaus raten?

Es hat Sinn, dass alle, die ein Risiko haben schwer zu erkranken – und das sind Menschen, die älter sind, 70+, 80+, oder bei denen eine Schwächung des Immunsystems durch Medikamente oder zum Beispiel eine Krebserkrankung vorliegt – ihre Impfungen regelmäßig auffrischen lassen, damit der Schutz vor schweren Verläufen auch wirklich gewährleistet ist. Vordringlich gegen Corona, weil wir da sehr hohe Zahlen haben. Aber es hat jetzt auch Sinn, sich gegen die Grippe impfen zu lassen. Auf diese Weise kann sich die Immunität gegen das Grippevirus nach der Impfung entwickeln und sie haben einen vernünftigen Schutz, wenn die Welle richtig in Schwung kommt.


Was ist darüber hinaus noch wichtig zu wissen?

Ich glaube, ein ganz wesentlicher Punkt ist: Alle haben gelernt, ein bisschen Hygiene einzuhalten, zum Beispiel die sogenannte Husten-Etikette. Also nicht einfach in den Raum, nicht in die Hände, sondern in die Ellenbeugen husten. Das ist alles wieder verlorengegangen. Es ist erstaunlich, wie schnell sowas vergessen wird. Es ist ja nicht nur das Impfen sondern es ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen, das dazu führen kann, sich selber zu schützen, vor allem aber andere zu schützen. Wir müssen Rücksicht auf andere nehmen! Dass wir das können, haben wir während der Pandemie gezeigt. Und genau das sollten wir auch fortsetzen. Das halte ich für eine ganz wichtige, wesentliche Sache.

Kommunale Impfstelle

In der kommunalen Impfstelle am Klinikum Küchwald, Bürgerstraße 2, werden alle empfohlenen Schutzimpfungen durchgeführt.

Eine Terminvergabe ist unkompliziert online oder über die Servicenummer 115 möglich.

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