Geschichte entdecken: Karl-Marx-Monument

Gleich zu Beginn: Karl Marx war nie in dieser Stadt. Trotzdem wurde Chemnitz am 10. Mai 1953 nach dem Willen der DDR-Staatspartei SED in Karl-Marx-Stadt umbenannt. Seit Jahrzehnten war die Stadt von Industrie und Arbeit geprägt und somit war der neue Name für manche politischen Entscheidungsträger durchaus logisch. Es gab aber auch andere Stimmen, die sich gegen die Umbenennung aussprachen – die Bevölkerung selbst wurde nie gefragt.

Die alte Stadt mit dem neuen Namen, deren Zentrum in großen Teilen gegen Ende des 2. Weltkriegs zerstört worden war, sollte zu einer sozialistischen Musterstadt entwickelt werden. Um diesem Ziel monumentale Ausdruckskraft zu verleihen, sollte auch ein Denkmal entstehen, das die politische Linie der damaligen Machthaber unterstrich. Beauftragt wurde der sowjetische Bildhauer Professor Lew Jefimowitsch Kerbel.

Ab 1965 wurde in aufwendigen Untersuchungen ein geeigneter Standort für das Denkmal gesucht. Dabei spielten Überlegungen zur Neubebauung der Innenstadt und zur Schaffung eines zentralen Platzes für Aufmärsche und Kundgebungen eine Rolle. Zunächst war eine 11 m hohe Ganzkörperskulptur vorgesehen, diese wurde jedoch aufgrund der Größe und Wirkung schnell verworfen. Umso mehr überraschte Kerbel mit einem neuen Entwurf, der nur den Kopf zeigte. Seinen Kritikern begegnete Kerbel mit dem Argument, „Karl Marx braucht keine Beine, keine Hände, sein Kopf sagt alles.“ Die über 7,1 m hohe, 40 t schwere und aus 95 Einzelteilen bestehende Bronzebüste steht auf einem 4,50 m hohen Granitsockel. Sie ist eine der größten Portraitbüsten der Welt. Gegossen wurden die Einzelteile in der Kunstgießerei Monumentskulptura in Leningrad, der Granit stammt aus dem Steinbruch Korninsky in der Ukraine. Eingeweiht wurde das Monument am 9. Oktober 1971.

Zum städtebaulichen Ensemble gehört auch der Schriftspiegel auf dem Gebäude hinter der Büste. Er wurde von den Chemnitzer Künstlern Volker Beier (Bildhauer) und Heinz Schumann (Schriftgestalter) gestaltet und zitiert den Satz aus dem Kommunistischen Manifest: „Proletarier aller Länder vereinigt Euch“ in vier Sprachen – deutsch, englisch, französisch und russisch.

Bis heute blickt das Monument – immer etwas mürrisch und ernst – auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Entwicklungen. Zu DDR-Zeiten galt das Monument als Ziel der jährlichen 1. Mai-Demonstrationen und war Schauplatz anderer politischer Feierlichkeiten. Es ist ein gutes Beispiel, wie der Philosoph Karl Marx von der Sowjetunion und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik instrumentalisiert wurde.

Umso bedeutsamer ist es, dass im Herbst 1989 auch hier der Ort der Montagsdemonstrationen des Neuen Forums war und 1990 prominente Redner aller Parteien auf das Podium traten. Am 1. Juni 1990 erfolgte die Rückbenennung der Stadt in Chemnitz. Im Vorfeld hatte eine Bürgerbefragung ergeben, dass mehr als 76 Prozent für den historischen Namen stimmten. Ein Abriss des Marx-Kopfes wurde zwar diskutiert, fand aber keine Mehrheit. Das ist bis heute so. Seit 1990 steht das Monument auf der Liste der Kulturdenkmale des Freistaates Sachsen. Es bildet seitdem zusammen mit der Schrifttafel an dem dahinterliegenden Gebäude sowie den rahmenden Freiflächen ein Kulturdenkmal von baukünstlerischer, stadtgestalterischer und zeitgeschichtlicher Bedeutung.

Der von den Einheimischen meist als „Nischel“ oder „Kopp“ bezeichnete Marx-Kopf dient als Kulisse für Kunst- und Werbeaktionen, Konzerte oder Performances ebenso wie als symbolträchtiger Hintergrund für politische Willensbekundungen. Souvenirs zeugen von einem kreativen Umgang mit dieser besonderen Sehenswürdigkeit.

Und warum guckt er nun so finster? Vielleicht, weil es nach wie vor Ungerechtigkeit, Unfreiheit und moderne Sklaverei auf der Welt gibt. Vielleicht, weil Diktaturen sich auf ihn berufen haben, andere Meinungen unterdrückten, unliebsame Menschen verhafteten und Lebenswege zerstörten.

Mit dem Monument und dem denkmalgeschützten Gebäudeumfeld besitzt die Stadt ein einzigartiges städtebauliches Ensemble, das immer noch zu Diskussionen anregt, das Ausdruck einer vergangenen Epoche und Teil der Chemnitzer Stadtgeschichte ist.

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